Geheimdienstaffäre Cryptoleaks: PUK-Entscheid wird vertagt

Spionage Operation

Spionage Operation

Screenshot by Rundschau / SRF

Das Büro des Nationalrats hat noch nicht entschieden, ob eine Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) die Geheimdienst-Affäre um die Zuger Firma Crypto AG untersuchen soll. Es will zuerst den Präsidenten der Geschäftsprüfungsdelegation sowie den Bundesrat anhören und erst dann über eine parlamentarische Initiative der SP befinden, die eine PUK fordert. Die Anhörungen sollen am 2. März stattfinden. Dann wird auch der Entscheid erwartet.

Die Anhörung des Bundesrates sei gesetzlich vorgesehen, sagte Nationalratspräsidentin Isabelle Moret (FDP/VD) vor den Medien in Bern. Ob der Bundesrat von seinem Recht Gebrauch mache, sei offen. Welches Bundesratsmitglied zur Anhörung antreten würde, könnte der Bundesrat selbst entscheiden.

SP zeigt sich zufrieden

SP-Fraktionschef Roger Nordmann (VD) zeigte sich vor den Medien zufrieden mit dem Entscheid. Er werte diesen positiv, sagte er. Wenn das Ratsbüro keine PUK wollte, hätte es das schon jetzt entscheiden können.

Nordmann bekräftigte, dass aus Sicht seiner Partei eine PUK unabdingbar ist. Es handle sich um Vorkommnisse von grosser Tragweite.

Parlament muss am Schluss entscheiden

Stimmt das Büro des Nationalrats am 2. März der parlamentarischen Initiative zu, entscheidet als nächstes das Büro des Ständerats. Spricht auch dieses sich für eine PUK aus, kann das Nationalratsbüro einen Bundesbeschluss ausarbeiten. Darin werden der Auftrag und die finanziellen Mittel festgelegt.

Eine PUK wird nur eingesetzt, wenn National- und Ständerat dem Bundesbeschluss zustimmen. Beschliesst das Parlament die Einsetzung einer PUK, wird die Inspektion der Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) des Parlaments eingestellt.

Bleibt der Schwung der Empörung?

Das Büro des Nationalrats habe nur einen Aufschub beschlossen, sagt SRF-Bundeshausredaktor André Ruch. Das gebe den noch unentschlossenen bürgerlichen Parteien FDP und SVP zweieinhalb Wochen Zeit, sich noch für oder gegen eine PUK zu entschieden. «Die Linke hofft natürlich auf weitere Unterstützer. Allerdings könnte bis Anfang März der anfängliche Schwung der Empörung schon wieder vorbei sein.»

Siehe auch «Die schmutzigen Geheimdienstoperationen mit der Hilfe einer Schweizer Firma»

Quelle: SRF

15.2.2020

Strafrechtsprofessor Mark Pieth: «Man muss sofort handeln»

Mark Pieth fordert die Bundesanwaltschaft auf, keine Zeit zu verlieren. Beweise könnten sonst vernichtet werden.

Die Aufarbeitung der Crypto-Affäre betrifft nicht einfach die 70er, 80er oder 90er Jahre – nein: Bis vor knapp zwei Jahren gingen möglicherweise manipulierte CIA-Geräte aus der Schweiz an Drittstaaten. Straftaten wie verbotener Nachrichtendienst wurden vielleicht bis 2018 begangen.

Amtshandlungen fremder Mächte

Mark Pieth, Ordinarius für Strafprozessrecht und Kriminologie in Basel, ist über Cryptoleaks beunruhigt. Er fordert, dass die Bundesanwaltschaft umgehend eine Untersuchung einleitet. Die Bundesanwaltschaft sei zuständig für Staatsschutzdelikte: «Da gibt es einen Tatbestand, der ganz direkt die Schädigung ausländischer Staaten im Auge hat: Artikel 301, Nachrichtendienst zulasten fremder Staaten» so Mark Pieth gegenüber «10vor10».

Daneben gebe es Tatbestände, wo die schweizerische Souveränität im Vordergrund stehe, so Pieth. «Wenn fremde Mächte Amtshandlungen bei uns vornehmen (Art. 271), dann politischen, wirtschaftlichen, militärischen Nachrichtendienst. All das kommt infrage.»

Die Bundesanwaltschaft in Bern ist zuständig für strafrechtliche Abklärungen im Falle Cryptoleaks. Sie teilt «10vor10» aber mit, sie warte zu. «Die BA verweist auf die vom Bundesrat in Auftrag gegebene Abklärung der Faktenlage durch den Alt-Bundesrichter Niklaus Oberholzer. (...) Sollten im (...) Bericht Hinweise auf allfällige strafrechtlich relevante Aspekte enthalten sein, würden die zuständigen Stellen (...) diese prüfen.»

«Beweise könnten vernichtet werden»

Das wäre frühestens im Sommer. Für Mark Pieth aber ist jetzt keine Zeit zu verlieren: «Beweise könnten vernichtet werden, man muss sofort handeln. Man muss eventuell später eine Bewilligung des Bundesrats einholen, um eine eigentliche Untersuchung zu führen. Aber jetzt muss man eine sofortige Ermittlung einleiten.»

Cryptoleaks kurz erklärt

  • Über Jahrzehnte wurden über hundert Staaten von CIA und BND ausspioniert.

  • Hunderttausende geheime Nachrichten zwischen Regierungsstellen, Behörden, Botschaften oder militärischen Stellen wurden systematisch abgefangen.

  • Wie war das möglich? Die über 100 Regierungen kauften Verschlüsselungsgeräte der ehemaligen Zuger Firma Crypto AG.

  • Diese Chiffriergeräte waren so manipuliert, dass die beiden Geheimdienste alles abhören konnten.

  • Denn: Neu geleakte Geheimdienst-Dossiers belegen, dass die Crypto AG 1970 von der CIA und dem BND gekauft worden war – verschleiert über eine Stiftung in Liechtenstein. Das zeigen Recherchen der «Rundschau», dem ZDF und der «Washington Post».

  • Mit Hilfe der abgehörten, vermeintlich verschlüsselten Kommunikation etlicher Staaten wurde die Weltpolitik beeinflusst, so z.B. die Camp-David-Verhandlungen 1979.

  • Aufgrund der Recherchen leitete der Bundesrat nun eine Untersuchung ein.

  • Das Wirtschaftsdepartement sistierte die Generalausfuhrbewilligung für Crypto-Geräte.